Donnerstag, 4. August 2011

Digital Divide

Und schon wieder ist es viel zu spät geworden. Henry drängelt, wir sollen endlich unseren täglichen Blog schreiben.
Ich habe zwar einige Ideen, die ich weiter ausarbeiten sollte, war heute Abend aber zu faul dazu. Daher hier nur einige hingeworfene Ideen zum Digital Divide, die ich heute mit Dominik diskutiert habe, gewissermaßen als Erinnerungsnotizen für mich selbst.

Henry
Grundfrage war, ob es so etwas wie eine digitale Spaltung der Gesellschaft gibt. Eine Quelle [Dominik fragen] verneint dies, da wir uns nicht mehr in der Phase der early Adopters befinden. Meine These hingegen lautet, daß ein Digital Divide vorliegt, sobald relevante Bevölkerungsgruppen in digitalen Kontexten nicht präsent sind, die für einen anderen Teil einen relevanten Aspekt ihres sozialen Umfeldes und/oder ihrer Weltwahrnehmung darstellen.

Weniger hochgestochen ausgedrückt:
  • Ob ich Zugriff auf so etwas wie Google Maps oder ähnliches habe oder nicht schafft noch keinen Digital Divide, solange Maps nur ein Werkzeug ist um beispielsweise eine Route einfacher zu Planen als per Papierkarte. Hier ist der Zugriff auf digitale Medien nur die Nutzung eines effizienteren Werkzeugs.
  • Bin ich hingegen Teil eines sozialen Netzwerks hat dies direkte Auswirkungen auf mein soziales Umfeld. Ist fast die ganze Schulklasse bei SchülerVZ (das ja angeblich gerade stirbt), so schafft dies einen ziemlichen Gruppendruck ebenfalls beizutreten, da sonst bestimmte Informationen bei mir nicht ankommen, ich verpasse eine Partyeinladung und bekomme auch (ggf relevante) Teile der Gerüchteküche, der sozialen Kommunikation nicht mit.
  • Soziale Netze führen zudem zu sozialer Filterung wie auch»passendem« Angebot von Informationen (social filter bubble).
  • Ebenso ist der Zugriff auf nur über das Netz erreichbare Informationsquellen (Blogs, Wikis etc.) relevant, vor allem, wenn hierüber Mindermeinungen nicht nur theoretisch zugänglich sind sondern auch praktisch rezipiert werden, die über die klassischen Medien nicht erreicht werden, wenn die Netznutzung also für relevante Teile der Bevölkerung zu veränderter Weltwahrnehmung führt.
  • Und schließlich führt die Teilhabe am Netz auch zu einem Verständnis des Netzes an sich, einem Gespür für dieses Medium. Dies wiederum kann zu veränderter Wahrnehmung, vor allem aber Bewertung des realen Umfeldes etc führen. Hierbei ist die Art und Intensität der Nutzung entscheidend, ein klassischer Konsument großer kommerzieller Internetportale unterscheidet sich eventuell kaum von einem reinen Fernsehkonsumenten.
  • Das Internet hat als Medium inherente Eigenschaften (Aufhebung der Spaltung von Produzenten und Konsumenten, Geschwindigkeit, kurze Wege, Verlinkung, Informationsüberschuß, ...), die sich dann auf meinen sozialen Raum auswirken, wenn ich und mein Umfeld dieses Medium für relevante Teile sozialer Kommunikation und/oder Informationsbeschaffung einsetzen. Dies findet in Form konkreter Ausprägungen wie der Nutzung sozialer Netzwerke statt. Ein Digital Divide hängt nicht daran, ob jemand einen Internetanschluß besitzt oder nicht, sondern ob er an relevanten Substrukturen Teil hat oder nicht.
  • Henry meint er hat WLAN.

    3 Kommentare:

    1. Lösung: terminologische Unterscheidung

      - digital divide (Singular): on- vs. offliner
      - digital divide (Plural): Exklusionspraxis. Hier lässt sich wiederum, analog zu physisch-materiellen Räumen nach Zugänglichkeit unterscheiden:

      - öffentliche Räume (Analogon: Straßenraum): wenn online, dann dabei
      - halböffentliche Räume (Analogon: Shopping-Mall): Jeder kann sich anmelden und den Dienst nutzen, muss jedoch eine Kontakt-Email hinterlegen.
      - private Räume (Analogon: Wohnung): Beitritt nur auf Einladung oder nach Prüfung der Daten.

      Aus diskursanalytischer und machttheorietischer Sicht ist es dabei lediglich wichtig, ob hier eine Präferenzbildung vorliegt (bestimmte Bereich des Web werden faktisch nicht genutzt; Analogon: "Ich war noch nie in Moskau.") oder ob Macht eingesetzt wird, um den Zugang gezielt zu verhindern. Nur im letzteren Fall würde ich von digital divide (Plural) sprechen.

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    2. Damit hängt deine Definition an der Definition von »Macht einsetzen«. Sind mir beispielsweise Bereiche nicht zugänglich, weil ich kein Englisch verstehe, so setzt hier erstmal niemand aktiv »Macht« ein, trotzdem könnte ein digital divide entstehen, wenn mehr und mehr deutschsprachige Menschen dazu übergehen, in englischer Sprache zu publizieren (wie ich es ja auch in diesem Blog teilweise tue). Diese Ausgrenzung muß dabei nicht bewußt stattfinden.

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    3. Schon klar - war aber so bewusst gesetzt - ein Gegenbeispiel zur Trennschärfe:

      Jeder kann ein Buch lesen, wenn er will - tut er es nicht "Wir brauchen kein Buch, wir haben schon zwei daheim - eines davon ist sogar ein Lexikon" spricht ja auch niemand gleich dramatisierend von "bibliographic divide". Daher der etwas "rigidere" Begriff.

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