Sonntag, 4. November 2012

Menschen statt Männer

Tl;dr: Wenn schon keine Quote, dann probiert doch mal andere witzige Wahlverfahren und schaut, was passiert.

Die Piratenpartei schafft es, auf der Mehrzahl ihrer Aufstellungsversammlungen ihrem Ruf einer reinen Männerpartei gerecht zu werden und kaum Frauen aufzustellen.1 Dies läßt den Ruf nach Quote wieder lauter werden.

Die Diskussion pro/contra Quote muß ich an dieser Stelle wohl nicht nochmal aufrollen (wobei ich auffällig finde, daß sich Argumente gegen die Quote leider häufig in Gesellschaft sexistischer Kommentare finden).

Ich mag die Quote nicht besonders, allerdings hilft wegschauen alleine auch nicht. Ich unterstelle, daß die meisten Piratoj grundsätzlich mehr Frauen auf den Listen befürworten, im konkreten Einzelfall entscheiden sie sich anscheinend allerdings dann doch eher für den konkreten Mann, den sie – so die Argumentation – dann eben doch für „kompetenter“ halten, was auch immer das heißt. Eine Quote würde dem Wähler gewissermaßen nicht korrekt wiedergeben und sei daher undemokratisch.

Dieses Argument geht davon aus, daß das Ergebnis eines demokratischen Wahlverfahrens den Wählerwillen möglichst unbeeinflußt wiederspiegelt und jeder Eingriff daher eine Störung darstellt. Dabei wird gerne vergessen, daß auch die Art des Wahlverfahrens an sich den Ausgang der Wahl stark beeinflußt.2 Wird jeder Platz einzeln abgestimmt, liefert dies andere Ergebnisse als Approval Voting, die Möglichkeit zu kumulieren, die Einführung von Negativstimmen usw. Die Ergebnisse all dieser Verfahren spiegeln den Wählerwillen wieder, trotzdem liefern die Verfahren unterschiedliche Ergebnisse.

Also spielen wir doch mal mit neuen Wahlverfahren, die vielleicht einfach andere Aspekte ins Bewußtsein heben:
  • Die LQFB-Initiative i1720 schlägt ein „quotenfähiges“ Reißverschlussverfahren vor, bei dem einfach zwei Listen gewählt werden (wobei jedes kandidieren darf, wo es will), die danach verzahnt werden. Klingt spannend, ausprobieren.
  • Wir könnten aber auch zwei Listen (oder mehr) nach einem externen Kriterium (z.B. normativ männlich ja/nein) getrennt voneinander wählen. Im zweiten Schritt wird die Endliste aus beiden Listen gebildet, wobei darüber abgestimmt wird, vom Kopf welcher der beiden Listen das nächste Kandidat genommen wird.
    Obwohl dabei grundsätzlich im Ergebnis alle Reihenfolgen entstehen könne (theoretisch können die ersten Plätze ausschließlich an Kandidaten einer Liste vergeben sein), vermute ich starke Unterschiede, da die Aufmerksamkeit anders gerichtet wird. Ob besser oder schlechter? Ausprobieren!
All das löst nicht das grundlegende Problem, daß im Moment ein Klima herrscht,3 in dem eine bestimmte Art Menschen in die Politik geht, sich in Parteien engangiert und kandidiert, die vielleicht nicht ganz zufällig meist männlich ist. Trotzdem könnte sich lohnen, auch am Wahlmodus rumzuspielen. Generiert neue Ideen, diskutiert sie, probiert sie aus.

Natürlich wollen wir die Besten in unseren Parlamenten, aber wir wollen auch Diversität, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, die ihre unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten mitbringen.Und zudem gibt es keinen Grund anzunehmen, daß die Besten nicht auch weiblich sein können.


  1. Die Mitglieder der Piratenpartei sind mehrheitlich männlich (das geht nicht davon weg, daß das Geschlecht nicht offiziell erfaßt wird), und anscheinend wählen Männer eben Männer, was mich zugegebenermaßen erstaunt hat, ich hatte angenommen, daß gerade weil es so wenige Frauen gibt diese auch gewählt werden. 
  2. Wir können mathematisch zeigen, daß es kein demokratisches Wahlverfahren mit mehr als zwei Kandidaten geben kann, bei denen taktisches Wählen etc. nicht möglich sind (Entscheidungstheorie).
  3. Ein Klima, das zumindest von einer nennenswerten Anzahl Frauen als abschreckend empfunden wird. Was mich nicht wundert, allein angesichts der Fragen, die spezifisch Frauen beim Kandidatengrillen gestellt wurden.